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-> Was der Name über die Krankheit verrät

-> Wie Medikamente MS in Schach halten

-> Wie du MS die Stirn bieten kannst

-> Wie Multiple Sklerose das Nervensystem lahm legt

-> Warum Immunzellen die Myelinschicht attackieren

 

Was der Name über die Krankheit verrät

Bei der Multiplen Sklerose entzünden sich immer wieder Nervenfasern an verschiedenen (= multiplen) Stellen des Gehirns und des Rückenmarks. Das passiert, weil das Immunsystem verrückt spielt und sich die Wächterzellen gegen den eigenen Körper richten. Wie das genau funktioniert, erklären wir weiter unten. Klingen die Entzündungen ab, bleiben meist harte Narben (=Sklerosen) zurück. Je nachdem, welche Regionen gerade betroffen sind oder waren, führt das zu den unterschiedlichsten Beschwerden.

Vielleicht kribbelt dein Bein und schläft dir dauernd ein. Oder du hast das Gefühl, ständig Handschuhe zu tragen. Vielleicht hast du eine Zeit lang Gegenstände doppelt gesehen. Oder bist beim Laufen geschwankt wie ein Betrunkener. Alle diese Symptome können einzeln oder auch zusammen auftreten. Eines aber haben sie gemeinsam: Es ist nicht dein Auge oder deine Hand, die krank sind. Die Ursache liegt immer in deinem Nervensystem – an irgendeiner Stelle, die zum Beispiel für die Steuerung der Augen verantwortlich ist.

Bei den meisten Kindern und Jugendlichen tritt MS in Schüben auf. So eine „heiße Phase“, wie Ärzte sie nennen, beginnt mit neuen Entzündungen in Gehirn und Rückenmark. Sie kann einen Tag, aber auch vier Wochen dauern. Danach klingen die Symptome von selbst oder mit Hilfe von Medikamenten wieder ab. Die MS „schläft“ bis zum nächsten Schub. Gut zu wissen: Zwischen zwei Schüben fühlst du dich oft, als ob nie etwas gewesen wäre.

Eine weitere Krankheitsform – der sogenannte „primär-progrediente“ Verlauf – kommt bei Kindern zum Glück eher selten vor. Ärzte sprechen davon, wenn sich die Beschwerden von Beginn an und ohne Pausen stetig verschlechtern.

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Wie Medikamente MS in Schach halten

Leider kann die Forschung Multiple Sklerose heute (noch) nicht heilen. Trotzdem hat
sie in den letzen Jahrzehnten wirkungsvolle Medikamente entwickelt. Diese sorgen dafür, dass Entzündungen an den Nervenfasern schneller abklingen und du seltener Schübe bekommst.

Wenn du einen akuten Schub hast, wird dich dein Arzt mit Kortison behandeln. Bei der sogenannten Stoßtherapie bekommst du das Medikament über eine Infusion direkt in die Blutbahn gespritzt. Das dauert etwa drei bis fünf Tage. Kortison dämmt die Entzündung ein und verhindert, dass aggressive Immunzellen ins Nervensystem gelangen.

Noch besser ist es natürlich, die Anzahl der Schübe zu verringern. Denn weniger Schübe bedeuten weniger Entzündungen und damit weniger bleibende Schäden. Heute gibt es dafür Medikamente, die gezielt auf das fehlgesteuerte Immunsystem einwirken. Ärzte nennen diese Art der Behandlung „immunmodulatorische Basistherapie“.

Einen Nachteil hat sie: Die Medikamente müssen regelmäßig unter die Haut gespritzt werden – am besten von dir selbst. Dafür gibt es spezielle Injektionsautomaten, die auch Kinder mit Diabetes benutzen. Nur Mut: Du wirst sehen, schon bald wird die „Spritzerei“ zur Routine und dir immer leichter fallen. Und wenn du deine Spritze einmal vergisst, geht die Welt auch nicht unter. Solange das die Ausnahme bleibt. Denn: Nur eine erfolgreiche Basistherapie schont dein Gehirn und Rückenmark und die Krankheit schreitet langsamer voran.

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Wie du MS die Stirn bieten kannst

Über Multiple Sklerose kursieren die schlimmsten Gerüchte. Die meisten stammen noch aus der Vergangenheit: Damals mussten Ärzte hilflos mit ansehen, wie es ihren Patienten immer schlechter ging. Heute ist das Dank wirksamer Medikamente anders – und wir wollen mit den gängigsten Gerüchten aufräumen.

Stimmt es, dass man an Multipler Sklerose stirbt?

Ein ganz klares Nein! Forscher haben herausgefunden, dass Menschen mit MS die gleiche Lebenserwartung haben, wie gesunde Menschen. Und die Wissenschaft steht nicht still! Vielleicht gibt es, wenn du älter bist, Medikamente, die MS sogar heilen können.

Bedeutet MS automatisch ein Leben im Rollstuhl?

Nein! Wie Studien zeigen, können die meisten MS-Betroffenen auch im Alter noch ohne Hilfe laufen. Und wenn nach einem Schub doch mal was zurückbleibt? Zum Beispiel eine Restlähmung oder Koordinationsstörungen? Dann heißt es, jetzt erst recht die Initiative zu ergreifen und deine gesunden Muskeln beweglich zu halten. Ergotherapie hilft dir, dein Gleichgewicht und deine Koordination zu schulen. Sprich mit deinem Arzt, er wird dich gerne beraten.

Stimmt es, dass MS ansteckend ist? Kann ich weiter meinen Freund / meine Freundin küssen?

MS ist keine Infektionskrankheit! Du kannst niemanden anstecken und bist auch selbst nicht angesteckt worden. Es spricht also nichts dagegen, deinen Freund oder deine Freundin zu küssen oder aus seiner Frühstückstasse zu trinken. Spaß haben und Feten feiern mit eingeschlossen. Vorsichtig musst du aber mit Alkohol, Zigaretten und Drogen sein! Sie belasten und schwächen deinen gesamten Organismus. Das gilt natürlich auch für gesunde Jugendliche. Also besser Finger weg!
Und noch etwas: Natürlich kannst du dich zur Führerscheinprüfung anmelden. Es gibt kein Gesetz, das es Menschen mit MS verbietet, Auto zu fahren.

Stimmt es, dass Sport meinen Körper zu sehr belastet?

Nein! Wegen MS musst du nicht automatisch zum Couch-Potato werden! Im Gegenteil! Sport stählt deine Muskeln und trainiert deinen Gleichgewichtssinn. Vor allem Ausdauersportarten wie Schwimmen, Reiten und Radfahren machen deinen Körper stark. Aber: Auspowern bis zum Limit ist uncool! Spaß haben dagegen voll angesagt!

Stimmt es, dass ich MS an meine Kinder vererbe?

Multiple Sklerose ist keine Erbkrankheit. Man geht heute zwar davon aus, dass bestimmte Erbanlagen den Ausbruch begünstigen. Trotzdem werden deine Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an MS erkranken.

Stimmt es, dass ich keinen Beruf ausüben kann?

Vielleicht ist Fitnesstrainer nicht gerade die richtige Wahl. Aber auch mit MS stehen dir fast alle Berufe offen. Eintrittskarten sind – wie bei jedem Gesunden auch – Schulabschluss und Ausbildung. Dafür lohnt es sich zu kämpfen und Hilfe anzunehmen: von deinen Eltern, deinen Freunden und nicht zuletzt von der Schule selbst. Lass dich bei der Jobauswahl von Fachleuten beraten. Sie versuchen dir deine Berufswünsche zu erfüllen: Für einen Sport- und Fitnesskaufmann zählt Redegewandtheit zum Beispiel mehr als körperliche Stärke.

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Wie Multiple Sklerose das Nervensystem lahm legt

Alles was wir tun – vom Zwinkern bis zum Lösen eines physikalischen Problems – wird vom Gehirn gesteuert. In unserer obersten Kommandozentrale arbeiten über 100 Milliarden Nervenzellen in perfektem Teamwork zusammen. Ohne sie könnten wir nicht denken, fühlen, handeln oder uns bewegen.

Vom Gehirn bis in den unteren Rücken führt eine blitzschnelle Datenautobahn: das Rückenmark. Es besteht aus einem dicken Bündel von Nervenfasern und versorgt über seine abzweigenden Nerven jeden kleinsten Winkel unseres Körpers mit Informationen.

Der Datenstrom funktioniert aber auch andersherum: Von den Sinneszellen (zum Beispiel in der Haut oder im Auge) aufgenommene Reize landen in Sekundenbruchteilen über das Rückenmark im Gehirn und werden dort ausgewertet.

Gehirn und Rückenmark – zusammen das zentrale Nervensystem – arbeiten rund um die Uhr oft unbemerkt. Erst wenn Krankheiten wie MS die Datenautobahnen lahm legen, werden wir uns dessen bewusst.

Ein Blick auf die einzelne Nervenzelle verrät, an welcher Stelle MS genau den Datenstrom unterbricht. Aus jeder unserer grauen Zellen sprießen bis zu 1000 verzweigte Äste, die sogenannten Dendriten. Mit ihnen empfängt die Nervenzelle Signale von Nachbarzellen. Über einen langen Fortsatz, das Axon, gibt sie diese Informationen in Form von elektrischen Impulsen an die nächste Nervenzelle weiter, ähnlich einem Stromkabel. Um dabei Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen ist das Axon durch die sogenannte Myelinschicht isoliert. Multiple Sklerose zerstört das Myelin. Es kommt zu Kurzschlüssen und Blockaden: Aus der Datenautobahn wird ein Fußgängerweg, der schlimmstenfalls in einer Sackgasse endet.

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Warum Immunzellen die Myelinschicht attackieren.

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunkrankheit. So bezeichnen Ärzte Erkrankungen, bei denen bestimmte Wächterzellen des Immunsystems – zum Beispiel die T-Lymphozyten – gesunde Körperzellen angreifen. Oft mit schlimmen Folgen für die Gesundheit, wie bei Rheuma oder Diabetes. Oder eben bei Multipler Sklerose.

Normalerweise patrouillieren T-Lymphozyten durch unser Blutsystem und schützen uns vor Krankheitserregern wie Bakterien, Viren und Parasiten. Körpereigenes Gewebe bleibt vor ihren Angriffen verschont. Bei Menschen mit MS spielt das Immunsystem verrückt: Falsch programmierte, aggressive T-Wächterzellen attackieren die Isolierschicht (Myelin) der Nervenfasern und lösen schwere Entzündungsreaktionen aus.

Bis es so weit kommt, müssen zwei wichtige Kontrollsysteme im Immunsystem versagt haben. Eine dieser Barrieren ist der Thymus, eine große Drüse oberhalb des Herzens. Hier werden falsch programmierte Immunzellen normalerweise sofort erkannt und vernichtet. Das zweite Kontrollsystem ist die sogenannte Blut-Hirn-Schranke. Sie verwehrt Krankheitserregern, aber auch aggressiven Immunzellen den Zugang zum zentralen Nervensystem und schützt es so vor Angriffen. Bei Multipler Sklerose können T-Zellen diese Grenze passieren. Forscher vermuten, dass sie dazu eine Art Tarnkappe tragen.

Wie das genau funktioniert und warum der Thymus bei MS versagt, interessiert die Wissenschaftler natürlich brennend. Vielleicht liegt hier der Schlüssel, wie man MS in Zukunft heilen könnte.

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